Lorem Ipsum: Leeres Branding und die neue Philosophie von "on-brand" zu sein.
Wir haben kürzlich in London ein paar große Plakate aufgehängt, die, um es mit einem Satz von Shakespeare zu sagen, nur Schall und Rauch waren und nichts bedeuteten. Mit einem "Lorem Ipsum"-Platzhaltertext auf einem generischen Plakat könnte man meinen, dass da jemand Mist gebaut hat.
Aber natürlich hat niemand Mist gebaut. Wie bei jeder guten Werbekampagne haben wir uns wochenlang mit diesen Plakaten beschäftigt: Wir haben sie strategisch geplant, konzipiert und gestaltet, wir haben die Standorte sorgfältig ausgewählt und sie mit einer Online-Kampagne und anderen OOH-Aktivierungen kombiniert. Und während wir das alles geplant und gemacht haben, stand unsere Lorem-Ipsum-Schlagzeile als Held des Konzepts da.
Ihr fragt euch jetzt bestimmt, aber warum?
Erstens, um mit einem verschmitzten Augenzwinkern die Aufmerksamkeit unseres Teams von Brand-Buildern zu erregen – all der Perfektionisten, bei denen einem ein Schauer über den Rücken läuft, wenn sie daran denken, einen ähnlichen Fehler machen zu können.
Als nächstes kommt ein ziemlich schamloser Marketing-Gag, mit dem wir die Stärke unserer Plattform für den Markenaufbau unterstreichen wollen. Wir unterstützen euch dabei, on-brand zu bleiben. Wir kümmern uns um die Markenkonsistenz, so dass ihr euch voll auf eure Botschaft konzentrieren könnt.
Aber wir wollten nicht nur einen Gag machen oder ein Augenzwinkern einbauen, sondern wir wollten auch auf etwas aufmerksam machen, das uns in letzter Zeit wirklich beschäftigt: Leeres Branding. Viele Marketing-Kampagnen sehen zwar aus wie Branding, sind aber eigentlich was ganz anderes. Im Wesentlichen geht's um all die Dinge, die zwar zur Marke gehören, aber irgendwie nicht wirklich eine Marke aufbauen.
Heute wollen wir mal über die Frage diskutieren, was es eigentlich bedeutet, "on-brand" zu sein und warum wir diese "fehlerhafte" Kampagne durchgeführt haben. Diese __drei wichtige Erkenntnisse zeigen euch, wie die Zukunft des Markenaufbau aussieht.
- On-brand zu sein ist nicht mehr genug.
- Fehler können wunderbar nützlich sein.
- Die Zukunft des Branding ist wie Jazz.
1. On-brand zu sein ist nicht mehr genug
Also, eins vorweg: Bitte nicht falsch verstehen. Wir finden es wichtig, dass alles so ist, wie es sein soll. Schließlich sind wir eine Plattform für den Markenaufbau. Wir helfen Marken dabei, ihre Markenressourcen so zu organisieren, dass sie möglichst nützlich sind. In einer Welt, in der sich zu viele Inhalte zu schnell bewegen, wollen wir Marken dabei helfen, konsistenter zu sein.
Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass es nicht unbedingt bedeutet, dass etwas hochwertig ist, wenn es keine Fehler enthält. Auch wenn alles on-brand ist, kann es trotzdem sein, dass der Inhalt nichts aussagt.
Warum ist das so?
Früher war es ein echtes Qualitätszeichen, wenn Inhalte und Marketing-Assets präzise und einheitlich waren. Man hat sofort gesehen, welche Marken wirklich Wert auf Qualität und Handwerkskunst legten, und große Marken konnten sich dadurch von ihren Mitbewerbern abheben. Letztlich war das ein Zeichen des Herstellers an den Käufer, wie viel Sorgfalt er in ein bestimmtes Markenzeichen und damit auch in das verkaufte Produkt steckt.
Und dann kamen die sozialen Medien und ihr Handlanger, das "Instant-Marketing". Dadurch, dass jetzt mehr Unternehmen einfacheren Zugang zu Design-Tools haben, wird die Latte für überzeugendes, herausragendes Design höher gelegt. Und was früher ein Zeichen für Qualität war, ist jetzt einfach mehr Lärm.
Jetzt stehen wir an der Schwelle zu einer weiteren Entwicklung im Marketing, diesmal im Bereich Automatisierung und KI.
Es ist einfacher denn je, auf den ersten Blick wie eine traditionelle Marke auszusehen und sich auch so anzufühlen, ohne dass dahinter Substanz steckt. KI führt im Guten wie im Schlechten dazu, dass alles schnell kopiert, nachgeahmt oder auf algorithmischer Basis in Massenproduktion hergestellt werden kann. Konsistenz ist immer noch ein Qualitätssignal, aber nicht genug, um sich von der Masse abzuheben. Früher war es ein Zeichen für Mühe und Sorgfalt, heute ist es nur noch das erwartete Minimum.
Und so verschiebt sich die Zielvorgabe für ein "wirkungsvolles, on-brand Marketing" erneut. Künftig geht es weniger um starre Konsistenz und technische Makellosigkeit, sondern vielmehr um Relevanz und Überraschung.
Das bringt uns zu Erkenntnis Nummer zwei: die Schönheit von Fehlern.
2. Fehler können wunderbar nützlich sein.
Wir sind professionelle Marketer. Unsere Aufgabe ist es, Fehler zu vermeiden. Richtig?
Nun, ja. Aber auch nein. Die heutige Marketingwelt verlangt von uns, dass wir auch unsere Fehler akzeptieren und sie zielgerichtet und bewusst einsetzen. Die versteckte Schwachstelle einer starren Markenkonsistenz ist die Vorhersehbarkeit.
In der jüngeren Vergangenheit war eine unveränderliche und perfekte Konsistenz in gewisser Weise sinnvoll. In einer vor-digitalen Welt, in der es weniger Berührungspunkte gab, die Medien langsamer waren und Konsistenz eher ein Maßstab als eine Säule war, war es ein entscheidender Faktor für die Wiedererkennung einer Marke, immer und überall gleich auszusehen.
Damals waren Inhalte eine Flaschenpost, die ins Meer geworfen wurde. Sie erstellten ihre Inhalte, warfen sie in das metaphorische Meer der physischen Medien und warteten auf eine spätere Reaktion. Natürlich wollten sie sicherstellen, dass die Signatur ihrer Marke für denjenigen, der die Flasche findet, klar und deutlich lesbar ist.
Doch heute, in einer dynamischen, digitalen, mit Metatags versehenen, durchsuchbaren und blitzschnellen Medienwelt, gelten andere Regeln.
In unserer heutigen Landschaft besteht die zentrale Herausforderung für Marken darin, im Wettbewerb mit unendlich vielen Inhalten Aufmerksamkeit zu erlangen und gleichzeitig angemessen auf die ständigen Veränderungen, den Input und das Feedback aus der Welt um sie herum zu reagieren.
Beim Branding ging es natürlich schon immer darum, sich von der Masse abzuheben, aber die Fähigkeit der Menschen, schnell zu reagieren und auf das zu antworten, was eine Marke tut, zerstört viele der alten Machtdynamiken des Brandings. Marken müssen heute einen Plan für Rückschläge, Kundenbeschwerden und unerwartete virale Geschichten haben, sowohl positive als auch negative.
Viele Marken inszenieren heutzutage Stunts, Fehlschläge und absichtliche „Leaks“, um Aufmerksamkeit zu erregen. Sie führen Kampagnen durch, indem sie auf Fehler (die sie selbst oder andere begangen haben) reagieren oder gezielt Pannen konstruieren, um ihrer Kommunikation mehr Wirkung zu verleihen. Fehler sind theoretisch das Gegenteil von Design - zufällig und nicht absichtlich. Aber jetzt kann man feststellen, dass Fehler und Patzer tatsächlich dazu beitragen, dass die Kommunikation besser funktioniert. Und warum?
Ganz einfach: In einer zunehmend technischen und algorithmischen Welt sehnen sich die Menschen nach echter Menschlichkeit und reagieren stärker darauf. Das Gefühl eines echten Zwecks oder einfach eines echten, fehlerhaften Menschen auf dem Fahrersitz des Brandings. Nennt es Authentizität oder Menschlichkeit.
Nicht nur das, es ist auch der Wunsch nach einem Branding, das nicht immer auf Nummer sicher geht. Letztlich geht es im Marketing um Risiken. Wer weit und hoch springen will, muss bereit sein, auch mal zu stolpern und zu fallen. Investitionen mit geringem Risiko bringen oft nur geringe Renditen. Um die Wirkung des Marketings zu maximieren, braucht man also auch eine Reihe von Projekten mit hohem Risiko und hoher Rendite.
Kurz gesagt: Wenn ihr euer Branding völlig fehlerfrei gestaltet, besteht ein großes Risiko, dass ihr es falsch macht.
Was ist hier also die Lösung? Sollten Marken überall so inkonsequent wie möglich agieren, um Klicks zu erzielen? Sind alle Fehler gut? Sollten wir so viele wie möglich machen? Sollte jede Marke einfach „Lorem ipsum“ als Überschrift verwenden?
Nein, natürlich nicht.
Das Gleichgewicht für Marken liegt darin, sowohl unvorhersehbar als auch konsistent zu sein, überraschend und doch wiedererkennbar. Das bedeutet, dass die Überraschung von Fehlern, die mit kreativer Absicht eingesetzt werden, mit einem flexibleren und vielfältigeren Werkzeugkasten von wiedererkennbaren Elementen kombiniert wird. Es wird immer Platz für großartiges, technisch präzises und perfekt konsistentes Branding geben. Aber modernes Branding liegt heute woanders, jenseits der traditionellen Grenzen der Konsistenz.
Aber wie bleibt man on-brand, wenn starre Konsistenz keine Lösung mehr ist? Darauf wollen wir in unserem letzten Punkt eingehen.
3. Die Zukunft des Branding ist wie Jazz
Wenn die Zukunft des Branding jenseits des alten Modells von Konsistenz und on-brand liegt, wo genau liegt sie dann?
Lasst uns über Jazz sprechen.
Stellt euch das alte Modell des Branding wie klassische Musik vor: Eine technisch detaillierte Aufführung, bei der sich erfahrene Profis bemühen, die Musik so genau wie möglich nach der Originalkomposition zu spielen. Das ist kreativ und gemeinschaftlich, aber letztlich ist es ein geschlossener Prozess. Die Komposition ist immer dieselbe, unabhängig davon, was das Publikum tut oder was um sie herum geschieht. Das Ergebnis ist unbestreitbar großartige Musik, die aber nicht mit ihrer Umgebung interagiert.
Um diese Analogie fortzusetzen, ähnelt das neue Modell der Markenbildung eher dem improvisierten Jazz.
Beim improvisierten Jazz reagieren die Musiker aufeinander oder sogar auf Dinge, die zufällig geschehen. Sie nutzen ihr tiefes, instinktives Wissen über Musiktheorie um zu improvisieren, zu reagieren und jedes Mal etwas Neues zu schaffen.
(Wenn Sie eine modernere Analogie wünschen, ist das neue Markenmodell wie eines dieser TikTok-Musikmemes, bei dem jeder Creator seine eigenen Texte, Instrumente und Reaktionen zu einer ursprünglichen Ausgangsmelodie hinzufügt, die eine ganze Kettenreaktion auslöst. Aber bleiben wir beim Jazz.)
Die kollaborative, lebendige und neu interpretierende Natur des improvisierten Jazz macht ihn zu einem so interessanten Modell für modernes Branding. Letztlich bringt er eine grundlegende Wahrheit der Markenführung auf den Punkt, die in unserer schnelllebigen Zeit immer offensichtlicher wird (und die von einer Plattform für die Markenbildung, die maßgeschneiderte Vorlagen und eine unvergleichliche Markenkonsistenz bietet, vielleicht unerwartet erscheint):
Markenbildung ist ein Prozess, kein Produkt.
Es geht nicht darum, etwas zu perfektionieren, fertigzustellen oder eine starre goldene Formel zu erstellen. Wenn ihr versucht, Branding zu sehr zu verfeinern, zu rationalisieren oder zu mechanisieren, tötet ihr die Spontaneität und Relevanz und verlieren die Verbindung zu eurem Publikum. Und nicht nur das: Wenn ihr zu sehr auf Standardisierung setzt, macht ihr es euch selber schwierig, die Art von Branding zu schaffen, die in der heutigen wettbewerbsorientierten Welt besser funktioniert.
Ein Branding, das magnetisch und magisch ist und emotionale, haarsträubende Gänsehautmomente erzeugt.
Ein Branding, das unvorhersehbar, rau, seltsam, persönlich, schön oder einfach nur lustig ist. Wie lateinische Platzhaltertexte auf einer Londoner Plakatwand.
Wie schon gesagt, müsst euer "klassische Musik" Branding nicht aufgeben. Es spielt immer noch eine Rolle. Aber jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, um zu lernen, wie man Jazz spielt.
Fazit: Überdenken der Konsistenz, Skalierung der Menschlichkeit und Improvisation im gleichen kreativen Takt.
Die konventionelle Weisheit, dass eine Marke „on-brand“ ist, muss sich ändern. Wir haben drei Erkenntnisse über das sich wandelnde Gesicht der Markenführung erörtert:
Überdenkt die Rolle der Konsistenz: Ordnet starre Konsistenz der Wirkung und Wiedererkennung der Marke unter. Schafft einen konsistenten, aber fließenden Stil und eine einheitliche Stimme, anstatt sich gedankenlos zu wiederholen. On-brand ist eine gemeinsame Grundlage, keine feste Regel.
Skaliert der Menschlichkeit: Skaliert nicht nur euer äußeres Erscheinungsbild, sondern auch die Persönlichkeit eurer Marke und den Dialog mit der Welt. Entwickelt echte, menschliche und überraschende Antworten auf das, was um euch herum geschieht, und nutzt eure Fehler und Schwächen. Unvollkommen interessant ist besser als vollkommen langweilig.
Improvisiert im gleichen Takt: Ermöglicht improvisatorische Zusammenarbeit mit einer gemeinsamen Philosophie. Entwickelt die Werkzeuge und das Wissen, um mit einem konsistenten Stil zu handeln, nicht nur mit oberflächlicher Ähnlichkeit. Haltet eure Marke in Bewegung und frisch, niemals stagnierend oder starr.
Und hier ist unser Ansatzpunkt: Diese Verbindung zwischen Konsistenz und Unvorhersehbarkeit, Rationalität und Reaktivität ist auch der Grund, warum wir an den Wert der Entwicklung und Verbesserung von Software wie Frontify glauben. Wir geben Markenverantwortlichen eine gemeinsame Grundlage, die leicht zu ändern, zu aktualisieren und weiterzuentwickeln ist. Es ist ein Werkzeug, um Dinge erkennbar und dennoch frisch zu halten und um die Marke in der gesamten Community gemeinsam aufzubauen.
Nichts, was wir tun, wird oder sollte jemals perfekt sein. Wir sollten weiterhin nach neuen Wegen suchen, um Bedeutung und großartige Momente für unser Publikum zu schaffen. Selbst unsere fehlgeschlagenen Versuche, ein besseres Branding zu schaffen, sind wichtig und sollten wertgeschätzt werden.
Oder wie der legendäre Jazzmusiker Miles Davis einmal so treffend über die Macht der Kreativität sagte: "Lorem ipsum dolor sit amet, consectetur adipiscing elit, sed do eiusmod tempor incididunt ut labore et dolore magna aliqua. “
Gut gesagt, Miles.